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 How life goes

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BeitragThema: How life goes   How life goes EmptyDo Jun 22, 2017 5:27 pm




How life goes...



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Olive Elisabeth Baker, heute besser bekannt als Drisana, wurde in Marseille in Frankreich geboren und wuchs dann zunächst in England und später in Deutschland auf. Dadurch hatte sie ein besonderes Glück was die Sprachvielfalt anging, aber auch ein enormes Freundeproblem.
Immer wieder musste sie ihre Freunde hinter sich lassen. In Frankreich hatte sie davon einige, aber je öfter sie von Land zu Land und später von Stadt zu Stadt umzogen, desto schwerer wurde es ihr.
Irgendwann machte sie sich etwas resigniert einen Spaß daraus: Sie änderte ihr Aussehen, zum Unfrieden ihrer Mutter, für jede neue Schule an die sie kam.
Irgendwann seufzte sie nur noch und fragte Drisana war es dieses mal werden sollte. Diese grinste oft nur. Ihr gingen jedoch langsam die Persönlichkeiten aus.
An der letzten Schule hatte sie sich in der Einsamkeit der Punker versucht. Sie hatte ihr flammendes Haar ganz grün gefärbt und sich flippige Ohrringe und falsche Piercings stehen lassen. Echte erlaubte ihre Mutter nie und ehrlich gesagt war sie bei allem Spaß nicht bereit, sich unschöne Löcher in die reine Haut zu bohren.
Denn ja, sie war im Grunde stolz auf ihr Aussehen und hatte eine gesunde Portion Selbstverliebtheit. Denn, wenn einen schon keiner liebte, dann doch wenigstens man sich selbst?
Obwohl das gelogen war. Sie zog mit jeder Rolle, die sie spielte, die  Blicke der Jungs und der eifersüchtigen Mädchen auf sich.
Aber irgendwie hatte ihr keine Persönlichkeit gut genug gefallen, um öfter zum Einsatz zu kommen. Punker war mal cool, so rebellisch und bewundert zu werden dafür. Aber letztlich war ein Punk auch oft einsam. Besonders Drisana konnte sich mit ihrer Maskerade mit keiner der beiden Gruppierungen richtig identifizieren. Die eine war... eben das, was als normal galt. Die andere Gruppe lebte Punk, Emo und Gothic.
Es war eine Leidenschaft, um die sie sie beneidete.

Auf der Fahrt in ihre neue Heimat, dachte sie genau darüber nach. Diese Leute hatten eine Leidenschaft, der sie ihr Leben widmeten. Drisana war für so was meistens keine Zeit geblieben. Sich so ein richtiges Hobby zuzulegen. SIe hatte zwar angefangen zu joggen und  zu schwimmen, aber das zählte sie nicht richtig unter Hobby.
Diese.. vollblütige Leidenschaft, die sie bei den "Außenseitern" ihrer letzten Schule gesehen und gespürt hatte. Die über allem stand. Selbst in der schweren Lebensphase darüber hinwegtröstete, wenn man alleine war oder Probleme hatte. Etwas, an das man sich halten konnte, wenn sonst nichts hielt.
Das wollte sie auch. Ihr fehlte irgendwo die Aufgabe im Leben. Sie würde die letzten Jahre der Schule besuchen und dann ins Berufsleben gehen.
Ihre Eltern hatten kaum Zeit für sie. Aber damit hatte sie sich ganz gut arrangiert. Sie hatten schließlich auch zu wenig Zeit, um ihr Tun zu überwachen.
Aber die Vorstellung nur zu arbeiten und sonst nichts im Leben zu haben, bis man eine Familie hatte, der man sich alleine widmete, grauste ihr. Natürlich wünschte sie sich einen Mann, viele tolle Freunde und später einmal Kinder. Aber sie wollte auch etwas haben, in dem sie aufblühte.
Bisher hatte sie jedoch nicht wirklich die Ruhe dafür gehabt. Wo immer sie hinkamen, mussten ihre Eltern hochwichtigen Besuch oder mal wieder die Familie empfangen. Oder sie verzog sich auf ihr Zimmer und wurde wegen jeder Kleinigkeit unterbrochen, weil sie nicht lernte.
Sie verschob den Gedanken also zunächst wieder. In diesem Haushalt bekam man eh nie seine Ruhe.

Heute Morgen stand Drisana vor dem Spiegel und betrachtete ihr Spiegelbild nachdenklich. Einmal fuhr sie sich durch die- nun wieder- flammend roten Haare.
Sie hatte die Einsamkeit fürerst satt und diese seltsamen Menschen, denen man zwar nachsagte, sie würden alle sowieso nur sterben wollen. Die aber mit einer größeren Leidenschaft lebten, als irgendeiner von den "Normalos".
Vielleicht war es ja stiller Neid. So wie Drisana sie still neidete.
Sie entschied sich das erste Mal nach vielen Jahren einfach ein bisschen sie selbst zu sein. Das hatte in Frankreich doch ganz gut geklappt. Sie hatte viele Freunde gehabt und als sie alt genug gewesen war, hatten ihr die Jungs immer nachgeschaut. Das war bisher sowieso in jedem Land so gewesen.
Und das wollte sie so wieder haben. Nichts leichter als das, oder nicht? Einfach nur wieder sie selbst sein. Selbstbewusst, schön und umgänglich.
Das würde voraussichtlich ihre letzte Schule sein und ihren Abschluss wollte sie als sie selbst machen. Das gehörte sich einfach so.
Entsprechend erleichtert war ihre Mutter, als sie sah, dass einfach nur ihre Tochter zum Frühstück kam, mit offenen Haaren, die wie Flammen ihre Schultern und ihren Rücken entlangzüngelten.
"Olive! Hab ich dich endlich wieder?" fragte ihre Mutter zufrieden, wofür Drisana ihr ein schwaches Lächeln schenkte.
"Ich denke ich versuchs auf dieser Schule mal mit mir selbst" bestätigte sie und schnappte sich ihr Brot.
"Ich frühstücke unterwegs", versprach sie ihrer Mutter, die gerade etwas sagen wollte, als Drisana auch schon nach draußen flog.

Auf dem Weg zur neuen Schule wurde sie dennoch etwas nervös. Es waren schließlich die letzten Jahre und je älter die Schüler, desto schwieriger war es, irgendwie dazwischen zu kommen.
Ihr verging der Hunger langsam und sie packte ihr Essen in ihre Tasche zurück.
Dann fuhr sie sich durchs Haar und schaute sich um. Die Schule war nicht zu übersehen. Lauter Busse und Autos die kurzweilig anhielten und ein voller Parkplatz mit den Schülern, die schon selbst fahren konnten. Das Bedürfnis hatte sie ja nie wirklich gehabt. Sie lief lieber, selbst wenn die Strecke sehr lang war.
Als sie auf den Schulhof kam, erwartete sie das, was sie geahnt hatte. Lauter seltsame Blicke und Getuschel. Aber das war sie ja schon gewohnt. Vor allem aus ihrer Punkerrolle. Und noch war das Ganze deshalb fast so eine Art Vertrautheit.
Sie musste der letzten Schule fast zu Gute halten, dass sie durch ihre.. Vielfalt an Eigenbrödlern sehr sozial gewesen war. So eine Schule hatte sie selten gehabt. Und so eine würde das hier auch nicht sein.
Es brauchte keinen Expertenblick, um die Mobber und die Gemobbten auszumachen. Die Mädchenclans der Reichen und Schönen, die Kleinkriminellen, die besonders cool waren, wenn sie Dinge stahlen.
Nur suchte Drisana noch etwas nach ihrer Gruppe. Reich und schön hätte oberflächlich vielleicht gepasst, aber sie konnte sich damit einfach nicht identifizieren.
Beim Eingang war etwas Gedränge, aber sie musste sich leider erst im Sekretariat anmelden. Da ging kein Weg dran vorbei.
Hinter ihr ging eine Clique Jungs, die sie noch nicht bemerkt hatte. Nicht, dass sie die Blicke des anderen Geschlechts nicht schon kannte.
Drisana war viel zu sehr darauf fokussiert, den Weg auszumachen, den sie gleich gehen musste, während die Schüler zielsicher ihre Klassen ansteuerten.

Auf einmal spürte sie eine Hand an ihrem Hintern.
"Na Süße", raunte ihr einer der Jungs grinsend ins Ohr. Drisana, die sonst eigentlich sehr schlagfertig war, war starr vor Schreck. Für solche Übergriffe war sie vielleicht einfach zu behütet aufgewachsen. Aber solch eine Dreistigkeit hatte sich ein Junge bei ihr nie erlaubt.
Sie lachten über ihren Gesichtsausdruck und gingen weiter, während sie sich, jetzt schon nicht mehr so fröhlich in Richtung Sekretariat flüchtete.
Ob sie etwas sagen sollte? Zumindest nicht gleich beim Schulleiter.
Sie ging durch die kleine Holztür und sofort ebbte der Lärm draußen ab. Sie genoss diese Stille einen Augenblick, dann klopfte sie an die offene Tür.
"Entschuldigung?" erhob sie leise die Stimme und riskierte einen Blick auf gestresste Frauen an Telefonen.
Eine warf ihr einen entnervten Blick zu. Sie würde ja sagen, dass sie später wieder kam, aber leider ging das nicht.
Sie stand etwas verloren in der Tür, bevor sich eine Dame, die sich gerade einen Kaffee geholt hatte, für sie Zeit nahm.
"Wie heißen Sie?" fragte die Jene  knapp und wühlte schon mal in ein paar Unterlagen.
"Olive Elisabeth Baker", antwortete Drisana. Sie mochte ihren Zweitnamen nicht. Unglücklicherweise aber viele Erwachsene, die sie oft nur noch so nannten. Obwohl sie sich heute nicht vorstellen könnte, dass sie später einmal einen völlig Neuen bekommen würde...
"In Ordnung, hier ist Ihr Stundenplan. Sie werden dort auch die Klassenräume finden. Viel Glück an Ihrem ersten Tag", sagte die Frau und überreichte Drisana die Unterlagen, ehe sie selbige wieder aus dem Büro nickte.
Was für ein überaus freundlicher Empfang...

Langsam war sie sauer über den Übergriff, dem sie gerade ausgesetzt gewesen war, deshalb nahm sie sich vor, dem ersten Lehrer, dem sie jetzt begegnete auf diesen seltsamen Jungen anzusprechen.
Sie ging zum Klassenraum und holte auch schon einen ersten Verantwortlichen dabei ein.
Sie stellte sich dem sichtlich irritierten Lehrer einfach in den Weg.
"Hey, ähm Guten Morgen. Sagen Sie, ist es normal, dass hier neue Schüler von den Jungen mit sexueller Belästigung begrüßt werden?" fragte sie schließlich frei heraus. Betreffende Jungen gingen zu ihrem Leidwesen offenbar mit ihr in dieselbe Klasse. Sie hörten jedes Wort und beobachteten sie wie Raubkatzen.
"Entschuldigung? Es tut mir Leid, wenn Sie eine negative Erfahrung machen mussten. Aber ich glaube nicht, dass so etwas beabsichtigt war. Beim Gedränge in den Gängen, passiert so was schnell mal", winkte er ab und schob sich an ihr vorbei.
Die Jungs lachten und Drisana sah dem Lehrer schockiert nach. Seine Worte klangen im Übrigen, als würde ihm selbst manchmal so ein "Missgeschick" passieren.
Wo war sie denn hier bloß gelandet? In einer Schule, in der sowohl Lehrer als auch Schüler korrupt waren?
Am liebsten wäre sie direkt wieder nach Hause gegangen.
Stattdessen schlich sie als Letztes in die Klasse und musste zwei  quälende Stunden über sich ergehen lassen.
Natürlich war nur noch neben einem der widerlichen Gangmitglieder ein Platz.
Sie setzte sich mit so viel Abstand wie möglich neben ihn und versuchte sein schmieriges Grinsen zu ignorieren. Das Lernen fiel ihr schwer. Sie hatte die Stunde kaum etwas verstanden. Viel zu konzentriert war sie auf das Getuschel und die Blicke, die im Klassenraum hin und her kreuzten.

Das war der Grund, weshalb sie nach der Stunde sofort flüchtete und auf den Pausenhof wollte.
Doch sie kam nicht ganz aus der Tür, als sie plötzlich jemand gegen die Wand stieß und am Kragen festhielt. Sie schaute erst verschreckt auf ihr Gegenüber. Dann erkannte sie ein dunkel brünettes Mädchen, dass sie festhielt.
"Lass mich los!" zischte Drisana und schlug ihre Hand weg.
"Pass auf, mit wem du dich anlegst, Schlampe! Wenn du dich nochmal an meinen Freund ranmachst, mach ich dich kalt!" giftete die ihr Unbekannte. Kalt machen. Als ob dieses kleine Mädchen wüsste, was sie da überhaupt sagte.
Drisana warf einen Blick hinter sie, wo derjenige  stand, der ihr an den Hintern gefasst hatte. Wie ein kleiner Junge, den seine Freundin in Schutz nehmen musste.
"Dann sag deinem Stecher, dass er seine dreckigen Pfoten bei sich behalten soll. Scheinbar bist du ihm ja nicht genug", zickte Drisana zurück und stieß das Mädchen zurück, ehe sie aus der Tür rausstürmte.
Sie ignorierte es auch, dass das Mädchen ihr nachspuckte. Es war ihr Glück, dass sie Drisana verfehlte.
Am liebsten würde sie unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen. Hier wollte sie keinen weiteren Tag zur Schule gehen.
Sie würde gerne zurück zu normalen Schülern. Die musste es hier einfach auch geben.
Sie fand zumindest ein paar die harmlos wirkten. Hoffentlich nicht zu sehr Außenseiter. So einen Start wollte sie hier nicht haben.
"Hey", begrüßte sie die drei Mädchen freundlich, die sofort zurückwichen, als wäre sie ein Monster.
"Hey.. du nichts für ungut. Aber Gina  ist hinter dir her. Wir wollen da echt nicht mit reingezogen werden..", meinte der Kopf der Drei und lächelte entschuldigend und auch etwas mitleidig, ehe sie sich verzogen.
Na toll. War Drisanas Zeit hier etwa schon verloren, wegen einem Notgeilen und einer Zicke? Knieten hier etwa alle vor ihr?
Auf ihrer ersten Schule hatte sie so etwas nicht  gekannt. Vielleicht, weil sie da das It-Girl gewesen war und keine Andere. Ob sie dachte, Drisana würde ihr den Titel wegnehmen wollen? Oder gar mit sich reden ließ?
Was für ein naiver Gedanke.





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BeitragThema: Re: How life goes   How life goes EmptyDo Jun 22, 2017 5:54 pm



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2 Monate später




Schon nach nur zwei Monaten hatte Drisana mit sich zu kämpfen. Sie lag morgens im Bett wie in Stein gegossen. Sie wollte nicht nur nicht aufstehen, sie konnte auch nicht. Ihrer Mutter wich sie aus, was Fragen nach der Schule betraf und ihre Noten wurden zusehens schlechter.
Sie war zur totalen Außenseiterin geworden und hatte keine Ahnung, wie sie das gemacht hatte. Es war ihr aufgezwungen worden. Keiner wollte mit ihr zu tun haben, aus unterschiedlichen Gründen.
Die Sportstunden waren die größte Tortour, ohne dass sie sich verstecken konnte. Besonders das Mädchen, das es auf sie abgesehen hatte, machte sie öfter einmal zum Opfer von Bällen. Die Lehrer konzentrierten sich auf die Sportasse und Drisana konnte sich auf nichts mehr als den andauernden Konflikt konzentrieren.
Und sie war dessen so müde. Einmal hatte sie es tatsächlich versucht, mit dem Mädchen zu reden, aber es ging nicht. Sie war nie alleine und wenn sie das nicht war, tat sie, als wäre sie eine abweisende Queen.
Drisana war einfach fertig mit den Nerven. Obwohl sie eine gute und fleißige Schülerin war und sich immer irgendwo auf die Schule gefreut hatte, war ihr das schon in zwei Monaten vergangen. Aber es gab ja auch noch die Schwänzer. Sie fasste öfter in Erwägung einfach vorher abzubiegen und woanders hinzugehen. Vielleicht die ersten zwei Stunden mit zu machen und dann einfach zu verschwinden.
Sie fühlte sich von allen nur noch verarscht. Das änderte sich leider auch nicht gerade, als einer aus der Gang versuchte, mit ihr Kontakt aufzunehmen.
Sein Name war Fynn. Er war ihr vorher nicht so aufgefallen, da er sich mehr als Mitläufer seiner Kumpel rausgestellt hatte.
"Was denn, willst du mich auch begrabschen?!" hatte ihn Drisana zunächst direkt abgewiesen und versuchte ihn zu ignorieren, als er versuchte sie vor dem Unterricht, zu einem Gespräch zu bewegen.
"Komm, ignorier die Idioten. Ich bin anders, okay? Lass es mich dir beweisen", sagte er leise und kramte in seiner Tasche nach einem Collegeblock. Dort kritzelte er etwas drauf. Vielleicht gab er sich Mühe, dass es leserlich war, aber es erforderte schon mehr als einen Seitenblick von Drisana um die Buchstaben zu entziffern.

Sie seufzte schwer und nahm den Zettel, den er zwischen sie legte. Aber erst, als der Lehrer reinkam und um Ruhe bat und sich Fynn's Konzentration nach vorn wandte. Dennoch meinte sie den Schelm in seinen Augen zu sehen, als sie nach dem Zettel griff und in ihre Faust nahm.
Es waren die letzten beiden Stunden. Nach der Schule würde sie mal schauen, was er von ihr überhaupt wollte.
Innerlich, wirklich tief in ihrem Innersten keimte etwas Hoffnung auf und sie freute sich über dieses Interesse. Darüber lag aber die Angst, verarscht zu werden und die war schwer für sie zu überwinden.

Erst als sie draußen vor der Schule war, kramte sie nach dem Zettel. Sie musste dafür alleine sein und nur am Ende dieser Folterkammer hatte sie die Zeit dazu.

Samstag, 10 Uhr im Café Grande?


Ein Lächeln stahl sich auf Drisanas Lippen. Sie war versucht dorthin zu gehen. Es war ein öffentlicher Platz und wenn ihr etwas komisch vorkam, könnte sie immernoch gehen. Vielleicht war das die Chance, das Ruder wieder rum zu reißen. Zu ihren Gunsten.
Nichts desto Trotz zog sich der Freitag in die Länge und am Samstag war sie viel zu früh wach.
Sie erlaubte es sich, sich schick zu machen und schlich sich aus dem Haus. Wobei schleichen gut war. Ihre Eltern kümmerte es ohnehin nicht groß. Die hatten ihre eigenen Sorgen und die überstiegen auf alle Fälle ihre Eigenen. Da war sich ihre Mutter sicher.
Ein Gespräch über die Umstände war auch eher unglücklich aus dem Ruder gelaufen.
Ihre Mutter wollte, dass sie sich nichts gefallen ließ und die Schule eine gute Gelegenheit war, um aus ihr eine Powerfrau zu machen.
Ihr Vater wollte sie sofort in den nächstbesten Verteidigungskurs stecken, dafür wurde sie aber auch für jedes Oberteil mit Ausschnitt und jede enge Jeans kritisiert.
Dann hatte ihre Mutter den Streit für sie ausgefochten, dass sie sich unmöglich bei der Kleiderwahl an den Trieben pubertärer Jungs orientieren konnte und sie selbst hatte sich zurück gezogen.
Erwachsene waren momentan einfach zu nichts nütze!, dachte sie.

Sie kam pünktlich am Café an und wusste nicht, wie klug das war. Vielleicht hätte sie warten und beobachten sollen, ob er kam und wie er kam. Mit Anderen, um sie nun richtig fertig zu machen? Oder doch alleine, wie es den Anschein gemacht hatte?
Sie biss sich auf die Lippen und setzte sich besorgt an einen Tisch am Fenster. Nun hieß es abwarten und Cappuccino trinken.
Doch Fynn ließ gar nicht so lange auf sich warten. Sportlich wie er war, im Kapuzenpulli kam er in das Café gelaufen und grinste sie verwegen an.
"Die Schönheit ist meinem Ruf gefolgt. Ich bin überrascht. Positiv."
Er bestellte sich etwas und setzte sich dann zu ihr.
Drisana schüttelte den Kopf, aber seine lockere, fröhliche Art ließ sie lächeln.
"Wie kommt es dazu, dass jemand wie du mit diesen Losern abhängt?" fragte sie. Das konnte sie am wenigsten verstehen. Wenn er doch so anders war, wie konnte er ihr Verhalten dann vertreten?
"Ach Freunde kann man sich nicht immer aussuchen. Ich weiß auch nicht was in Rob gefahren ist. Der ist eigentlich ganz anders", meinte Fynn.
"Wirklich Olive", betonte er, als er ihren Gesichtsausdruck sah.
"Das sagen sie alle. Ich versteh nicht, warum Arschlöcher immer so vehement verteidigt werden", erwiderte sie und funkelte ihn mit gewissem Misstrauen an.
"Er macht halt gerad viel Scheiße mit. Komm schon, Olive, du bist hier. Das hat doch was zu bedeuten", er grinste wieder.
"Und ich hoffe es geht jetzt nicht die ganze Zeit um Rob", fügte er hinzu.
Drisana kam nicht umhin entschuldigend zu lächeln. Vielleicht übertrieb sie ja. Robert hatte sich in den letzten Tagen ziemlich ruhig verhalten. Was bedeutete, er hatte sie ignoriert und sich Gina zugewandt. Das beruhigte die Zicke offenbar. Wenn es nur immer so einfach sein könnte.

"Na schön, du Held. Dann erzähl mal was von dir", forderte sie ihn schließlich auf und nippte an ihrem Getränk. Er hatte Recht, sie hatte sich jetzt schon auf das Treffen eingelassen. Das hatte einen Grund. Und so sollte nicht einfach alles aus Vorwürfen bestehen.
"Von mir? Tja, du musst wissen, ich bin ein sehr charmanter, witziger Kerl und gehe in einen erfolgreichen Sportverein. Da könntest du mich auch mal besuchen. Ich glaube, das würde dir gefallen", er lächelte verschmitzt.
Besonders über sein Selbstlob musste sie ebenfalls lächeln.
"Na schön. Vielleicht bist du das ja tatsächlich und nicht der doofe Sack für den ich dich gehalten habe", grinste Drisana. Man konnte ja noch Hoffnung haben, dachte sie. Und das hatte sie wirklich. Für sie war Fynn alles, was sie in diesem Moment hatte. Und sie hoffte, dass wenigstens er ihr blieb.
Er war charmant und witzig und brachte sie im Laufe des Treffens immer wieder zum Lachen.
Und Drisana wollte, dass diese Momente, in denen sie sich endlich aufgenommen fühlte, nicht endeten.
"Hör mal Olive... wie wärs wenn wir heut Abend etwas trinken gehen?" fragte er schließlich und legte leicht den Kopf schief. Den Dackelblick hatte er also auch drauf. Aber sie wusste nicht, wieso sie nicht zusagen sollte. Es war jetzt schon schön mit ihm und sie wollte ja wieder raus kommen. Endlich wieder dazu gehören. Sie musste die Chance praktisch ergreifen.
"Bitte, bitte.." bettelte er mit dem verführerischsten Lächeln und Drisana lachte.
"Na schön, du hast gewonnen", ergab sie sich seinem Flehen. Es war doch schön, wenn mal jemand vor einem kniete.
"Gut. Heute Abend acht Uhr im Rocks und wehe du kommst nicht", drohte Fynn aus Spaß und stand auf. Drisana tat es ihm mit langsamerer Bewegung gleich.
"Dito", erwiderte sie und hob einen Finger, ehe sie ihm nachschaute.
Ein seltsamer Kerl war das. Erst still, als sie Probleme hatte und dann ließ er tagelang nicht mehr locker. Aber da konnte er sich doch nur ernsthaft für sie interessieren, oder nicht?
Jedenfalls sinnierte Drisana das vor sich hin. Sie hatte durch die vielen Umzüge nie einen Freund gehabt und wünschte sich das wirklich. Und vielleicht war Fynn ja der Richtige?

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Den Tag verbrachte Drisana größtenteils mit dem Kopf in ihrem Kleiderschrank. Sie wollte schön aussehen heute Abend. Das erste Mal, dass sie in dieser Stadt ausging und dann hatte sie auch noch eine Verabredung mit einem schicken Typen. Vielleicht kam endlich in Gang, worauf sie schon so lange wartete.
Sie suchte sich etwas schickes aus, schminkte sich dieses mal etwas auffälliger und ging schließlich aus dem Haus. Sie mochte hochhackige Schuhe nicht, hatte sich aber trotzdem heute dazu überredet. So etwas gehörte einfach dazu. Andere machten das schließlich auch!
Da sie kein Auto hatte, musste es das Taxi tun, aber sie konnte es sich ja auch leisten.
Im Club angekommen suchte sie sich einen Platz an der Bar und bestellte sich schon mal einen Drink. An sich war die Bar ganz hübsch, wenn auch kleiner als das, was sie so gewöhnt war.
Aber auch in kleineren Orten gab man sich Mühe das Nachtleben angenehm zu gestalten und momentan war ihr das ganz recht. Obwohl Drisana inständig hoffte, dass die Leute aus der Schule nicht hier waren. Es war jedoch überschaubar genug, um das zu bemerken.
Und wenn, hätte sie dann die Flucht ergriffen?
Sie lächelte etwas verlegen über sich selbst und rührte in ihrem Getränk. Wie lächerlich. Warum sollte sie davon laufen?
Drisana riskierte einen Blick auf die Uhr. Viertel nach Acht. Von Fynn war keine Spur zu sehen. Vielleicht verspätete er sich und konnte ohne ihre Nummer ja auch nicht bescheid geben.

Die Zeit verstrich und Drisana hatte bald ihren Drink geleert. Um sich nichts anmerken zu lassen, bestellte sie einen weiteren und wurde langsam nervös. Er kam nicht. Es war fast neun. Wie lange sollte man warten?
Er hatte sie doch nicht etwa versetzt?
Insgeheim dachte sie zumindest, dass ihr so etwas nie passieren würde. Sie hatte es von anderen gehört. Aber die hatten sich eben auch den Falschen ausgesucht, das war ja dann völlig offensichtlich. Aber war Fynn etwa genauso?
Er würde bestimmt noch kommen. Da war sie sich sicher.
Und sie würde ihm verzeihen.
Langsam stand Drisana auf und spürte, dass der süße Cocktail schon Wirkung gezeigt hatte. Sie trank einfach zu selten!
Die Musik dröhnte in ihren Ohren und auf einmal war ihr alles viel zu laut. Sie suchte sich einen Weg durch die vielen Partygäste und ging zur Toilette. Im Spiegel sah sie, dass ihre Wangen ziemlich rot waren. Es war aber gut genug geschminkt, um nur ihr aufzufallen.
Das war beruhigend, also machte sie sich etwas frisch, schminkte sich nach und kehrte an ihren Platz zurück.
Ihr Blick fiel auf ihr Getränk. Es war noch dreiviertel voll. Sie hatte völlig vergessen, dass man es ja nicht alleine ließ. Aber wer sollte ihr schon an ihrem ersten Abend etwas in den Drink tun?
Man sprach diese Warnung ja schließlich genauso übervorsichtig aus, wie andere Sachen. Sie würde ihn sowieso trinken und wieder gehen. Fynn würde nicht mehr kommen. Diese traurige Gewissheit schlich sich langsam bei ihr ein.
Sie legte das Geld auf die Bar und trank den letzten Rest.




Ein scharfer Schmerz ließ Drisana aufwachen. Die Helligkeit des Tages blendete sie, kaum dass sie die Augen öffnete. Dabei war es noch gar nicht so spät. Aber der Sommer ließ die Tage früher beginnen und später enden.
Sie legte eine Hand unter ihren Kopf und wollte sich umdrehen. Dabei tat ihr alles weh. Hatte sie etwa von zwei Drinks schon einen Kater?
Es wurde wirklich dringend Zeit, dass sie wieder anfing mehr zu trinken. Wenn man sie so leicht besoffen machen konnte, war sie ein viel zu leichtes Opfer.
Dass sie das aber schon war, wurde ihr erst gewahr, als sie sich umschaute. Sie war nicht in ihrem Bett. Sie lag auf dem Steinboden draußen, in irgendeiner Gasse.
Sofort war sie hellwach und schreckte hoch. Sie musste aufstehen. Obwohl ihre Füße extrem wehtaten. Und wieder hasste sie Schuhe mit Absatz.
Sie schaute sich um, in der ihr unbekannten Seitengasse und hielt sich stützend an einer Wand fest. Im ersten Moment stand sie unter Schock und wusste nicht recht, was sie sagen oder tun sollte. Es war wie ein wahr gewordener Albtraum. Und das dachte sie in diesem Moment auch: Dass sie einfach nur träumte.
Sie tastete die Wand unter ihrer tauben Hand und nahm die Alltagsgeräusche nur noch dumpf war, als wäre sie unter Wasser.
Halbwegs geistesgegenwärtig kramte sie nach ihrem Handy. Je länger sie suchte, desto mehr ergriff sie die Panik, doch sie fand es bald.
Einige Anrufe in Abwesenheit. Allesamt von niemandem als ihrer Mutter. So desinteressiert wie sie oft an ihr war, hatte sie doch nicht völlig vergessen, dass sie eine Tochter hatte.
In diesem Moment hätte sich Drisana das gewünscht.

Zittrig wählte sie die Nummer an und hielt sich das Handy ans Ohr. Dabei ging sie in die Hocke und lehnte sich an die Wand. Ihr wurde schwindelig.
"Olive?! Wo steckst du verdammt nochmal? Hast du mal auf die Uhr geschaut, du warst die ganze Nacht weg! Was geht nur in deinem Kopf vor! Ich hab ja nichts dagegen, dass du ausgehst, aber wäre eine Nachricht über deinen Verbleib zu viel verlangt gewesen?!" wetterte ihre Mutter los, ohne ihr eine Sekunde Zeit zu geben, sich zu erklären.
Drisana ließ es stillschweigend über sich ergehen, aber der erste Schock ließ langsam nach. Sie nahm das Handy von ihrem Ohr und betrachtete sich in ihrem Bildschirm. Ihre Haare waren struppig, ihre Schminke verlaufen und sie hatte rote Flecken und Druckstellen, wo sie gelegen hatte.
Zudem rannen ihr jetzt die Tränen übers Gesicht und hinterließen schwarze Spuren. Sie sah furchtbar aus und konnte sich an nichts erinnern. Sie fühlte sich verlassen, gedemütigt und fühlte eine schreckliche Leere in sich. Ihr Kopf fühlte sich an, als wollte er platzen dadurch, dass sie begann zu schluchzen. Erschreckt hielt sie sich eine Hand vor den Mund und hielt ihr Handy wieder ans Ohr. Leider war das Geräusch nicht unbemerkt geblieben. Wenigstens war noch nichts los. Es war Sonntag und viertel nach sechs morgens.
"Olive? Was ist los? Was ist passiert?" fragte ihre Mutter, endlich etwas ruhiger.
"Kannst du mich abholen?" flüsterte Drisana leise.
"Da ist doch was passiert, rede mit mir" forderte ihre Mutter, aber sie war gerade absolut nicht in der Stimmung, irgendetwas zu erklären und damit ihre Demütigung allgegenwärtig zu machen. Wenn sie es jetzt aussprach, wurde alles so Wirklich, wie sie es nicht ertragen konnte.

"Ich.. ich bin.. Molena Straße. Okay? Verstanden?" fragte Drisana, immer wieder unterbrochen von ihrer Mutter, die eine Erklärung verlangte.
War ihr so etwas noch nie passiert? Hatte sie mit ihrer eigenen Mutter denn immer über alles gesprochen?
Warum kapierten Erwachsene nicht, dass nicht alle wie sie tickten, auch nicht die eigenen Kinder?!, dachte Drisana.
"Hol mich einfach ab!" schrie sie völlig fertig ins Handy und warf es fort. Es schlitterte gegen eine Hauswand und Drisana brach wieder in Tränen aus und vergrub ihr Gesicht in den Armen. So war man mit ihr noch nie umgesprungen.
Sie war noch nie versetzt worden und hatte auch noch nie einen Filmriss gehabt. Es war das erste Mal, dass sie irgendwo landete und ihre Mutter machte einen Aufriss, als hätte sie nur Probleme mit ihr. Drisana war ihre einzige Tochter. Warum freuten Eltern sich nicht einfach, ein unkompliziertes Kind zu haben? Mussten sie sich auch irgendwelcher elterlichen Klischees bedienen und warteten deshalb nur auf den geeigneten Moment?
Sie wusste letztlich nicht mal, ob sie kam. Noch, ob ihr Handy funktionierte. Aber gerade wollte Drisana auch nur noch von der Bildfläche verschwinden. Sie traute kaum, sich zu bewegen. Keiner sollte sie sehen, so wie sie aussah.
Man sah ihr doch alles Unglück an. Sie war nicht begehrenswert. Sie sah aus wie einfach zu haben und genauso einfach weggeworfen, in diesem Moment. Und sie fühlte sich so. Und es fühlte sich an, als wüsste es jeder in 100 Metern Entfernung um sie herum.

Tatsächlich kam ihre Mutter und Drisana musste sich aus ihrer kleinen Gasse wagen. Es war aber niemand unterwegs, bis auf ein paar Leute mit Hunden. Denen sie alle irgendwie auswich oder sich versteckte. Sie wäre jedem, der anhielt um sich nach ihrem Befinden zu erkunden, wohl auch augenblicklich ins Gesicht gesprungen.
Sie klaubte ihr Handy auf, dass auf wundersame Weise überlebt hatte und drückte es, ebenso wie ihre Tasche, fest an sich. Dann stieg sie ins Auto ihrer Mutter. Allerdings schaute sie sie nicht an, sondern lehnte ihren Kopf gegen das Fenster.
"Du musst mit mir reden, Kind. Ich kann dir so nicht helfen", begann ihre Mutter, aber Drisana ignorierte sie.
Sie wollte keine Hilfe. Sie brauchte keine Hilfe. Was sollte sie schon tun? Dem Jungen eine verpassen? Die Erinnerung wiederherstellen? Das wollte sie selbst und doch war sie dazu nicht in der Lage.
Sie wollte jetzt gar nichts und das wäre die größte Hilfe, die man ihr geben könnte. Sie wollte alleine sein und ertrug keine menschlichen Berührungen.
Ihre Mutter presste die Lippen zusammen und schaute beinahe beleidigt nach vorn, als Drisana unter ihrer Berührung wegzuckte und sich noch kleiner machte.
Als hätte sie ein Recht dazu beleidigt zu sein!, dachte Drisana wütend.
Und aus der Wut, kamen die Tränen zurück. Wütend auf Fynn, wütend auf ihren Leichtsinn. Wütend darüber, dass sie jetzt kein Mitleid und keinen Trost ertrug und wütend, dass keiner für sie Verständnis hatte. Sich höchstens noch im eigenen Stolz gekränkt fühlte.
Sie erwägte, aus dem Auto zu springen, aber riss sich zusammen, bis sie zu Hause waren. Obwohl ihr beinahe klaustrophobisch wurde in dem kleinen Auto. Langsam schränkte sich ihre Toleranz, was Nähe anging, weiter ein und das Auto war ihr zunehmend zu eng.

Der Wagen hatte noch nicht ganz gehalten, da sprang sie aus dem Auto, ignorierte das Rufen ihrer Mutter und stolperte mit den Schuhen.
Fluchend und weinend riss sie sich die High Heels von den Füßen, warf sie auf den Hof und flüchtete ins Haus, in ihr Zimmer und schloss ab.
Dann vergrub sie sich unter ihrer Decke, stattete sich mit Ohrstöpseln und lauter Musik aus, um kein provokantes Gemecker hören zu müssen und verharrte die nächsten Stunden.
So entging ihr auch jeder Versuch ihrer Mutter, Kontakt zu ihr aufzunehmen, obwohl das Dröhnen auf ihren Kater fast selbstzerstörerisch anmutete.
Und eines nahm sie sich fest vor: Sie ging morgen nicht zur Schule!



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BeitragThema: Re: How life goes   How life goes EmptyDo Jun 22, 2017 6:23 pm




Verluste



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Sie hatte den Rest des Tages nicht mehr mit ihrer Mutter geredet und diese hatte sie irgendwann auch in Ruhe gelassen.
Drisana wusste, dass sie gekränkt war. Ihre Mutter hätte es lieber, dass sie - ähnlich wie die Kinder in den Soaps und Serien - sich ihr anvertraute. Sich vertrauensvoll in den Arm nehmen und sie an ihren Sorgen teilhaben ließ. Aber das war für sie keine Option. Es war ihr unendlich peinlich, nach allem, was sie auf sich selbst gehalten hatte, dass sie so behandelt worden war.
Ihre Mutter sollte stolz auf sie sein. Besonders jetzt, da sie sich vernünftig anstellen wollte. Stattdessen gingen ihre Noten Bergab, sie war unbeliebt und wurde von irgendwelchen Typen benutzt und weggeworfen, wie ein Stück Vieh.
Und wohlmöglich bald von irgendeiner cholerischen Ziege verprügelt.

Drisana badete spät am Abend noch und wusch sich all den Schmutz und die Schminke vom Körper. Nur das widerliche Gefühl, wollte sie nicht verlassen.
Nach dem Zähne putzen fühlte sie sich auch nur etwas besser.
Sie nahm die Motivation zum Aufstehen nur daher, dass sie heute das erste Mal an der Schule vorbei gehen würde. Sie wusste nicht wohin, aber dieses Gebäude würde sie nicht betreten. Und sich nach Möglichkeit auch nicht dort blicken lassen.
Es ging keinen der Schüler etwas an, wo sie war. Aber sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie etwas damit zu tun hatten, was ihr passiert war. Erst seit dieser Schule ging alles schief.
Und Fynn konnte ihr erst recht gestohlen bleiben!
Ihre Mutter warf ihr nur schweigend einen Blick zu, als sie sich ihr Frühstück nahm und nach draußen ging. Ihren Rucksack hatte sie zur Tarnung mit. Aber ihr entschlossener Schritt ließ sie noch lange vor der Schule in eine Seitenstraße einbiegen. Hinter der Schule und der kleinen Stadt lag ein riesiger Wald. Er mochte mehrere Hektar groß sein.

Drisana spazierte am Waldrand entlang und ließ einmal die absolute Stille auf sich wirken. Sie hatte ihr Handy zu Hause gelassen, ganz konsequent. Wie klug das war, würde sich herausstellen. Aber sie wollte das man sie weder erreichen, noch orten konnte. Heute wollte sie nicht gefunden werden.
Sie kam an einem einsamen Bauernhof vorbei und ging von ihm weiter zu einem kleineren Waldstück inmitten von ein paar Feldern. Noch waren die Bauern nicht unterwegs und so hatte sie ihre vollständige Ruhe.
Sie setzte sich dort ins hohe Gras und lauschte einfach nur der Stille. Den Grillen, den Bienen, den Vögeln und Mäusen, die um sie herumhuschten.
In diesem Moment empfand sie so viel Frieden, wie sie der Natur nie zugetraut hätte. Und auch eine seltsame Verbundenheit.
Normalerweise war sie mehr der Stadtmensch, aber hier hatte sie das nicht. Und die Dorfbewohner sagten ihr auch überhaupt nicht zu. Aber das drumherum.
Sie strich sanft durch das Gras und dadurch, dass sie sich so ruhig verhielt, näherten sich die Tiere über Stunden immer näher an.
Sie hatte gar keine große Lust mehr nach Hause zu gehen. Sie könnte den ganzen Tag hier verbringen und zumindest den halben Tag musste sie ohnehin rumkriegen.
Sie warf ein paar Obststücke von sich und legte sich dann ins Gras, um etwas zu essen.
Aber weit kam sie nicht, da sie ihren Kopf bald ablegte und einschlief. So ausgeruht war sie nach ihrer Katernacht noch lange nicht gewesen. Das holte sie jetzt nach.

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Ein Schmatzen neben ihrem Ohr ließ Drisana aufschrecken.
Sie war nicht allein! - Das war das Erste, dass ihr durch den Kopf schoss. Sie sah tausend Bilder, als sie die Augen öffnete und die Sonne sie blendete. Erst nach ein paar Sekunden sah sie klar. Da verschwand schon etwas katzenhaftes, pelziges zwischen den Büschen. Sie schaute sich irritiert um und bemerkte, dass jemand oder eher etwas ihr Brot geklaut hatte.
Als Drisana den Kopf hob, sah sie dem Übeltäter, der sich noch die Schnauze leckte, in die Augen und erkannte einen scheuen Rotfuchs, der sogleich die Flucht ergriff, als er sie sah.
Vor Erleichterung lachte sie leise und setzte sich langsam auf, um eventuell andere Tiere nicht zu verschrecken. Sie wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, aber das Obst, welches sie ausgelegt hatte, war auch schon in Mitleidenschaft gezogen worden.
Sie entdeckte ein paar Rehe mit ihren Kitzen und auf einmal fühlte sie sich so zu Hause an diesem Platz. Sie konnte es selbst kaum begreifen. Wusste nicht, warum es so war. Nur, dass es so war.
Auch wenn der Gedanke natürlich lächerlich war. Wie wollte sie schon hier überleben? Sie musste dieses kleine Paradies ohnehin verlassen.
Und sie wurde das seltsame Gefühl nicht los, beobachtet zu werden. Es war seltsam.

Langsam stand Drisana auf und klaubte alles, womit die Natur nichts anfangen würde können, zusammen und verstaute es in ihrem Rucksack. Dummerweise hatte sie ohne Handy auch keine Gelegenheit die Uhrzeit zu erfahren und musste sich auf ihr Gefühl verlassen.
Und das versuchte ihr gerade andere Dinge zu sagen, als die aktuelle Uhrzeit.
Sie schaute sich um und strich sich leicht über die Arme. Kühl war es geworden.
Aber sie konnte nichts und niemanden ausmachen, der sie beobachten könnte. Also trat sie denselben Weg wieder an, den sie gekommen war. Der würde sie nah genug an der Schule vorbei führen, um zu sehen, wie weit sie waren.
Dummerweise war wirklich niemand mehr auf dem Schulhof zu sehen. Keine Schüler, keine Busse oder Autos. Der Parkplatz war leer.
Schockiert blieb Drisana stehen. War sie etwa so lange weggewesen? Ihre Mutter würde rasen. Sie wusste zwar, dass es immer mal Schüler gab, welche die Schule schwänzten. Aber mehr hörte man ja auch meistens nicht. Nicht, wie es ausging oder was für Strafen sie zu befürchten hatten.

Das erfuhr sie aber dann, als sie zu Hause war.
"Olive! Hier geblieben! Die Schule hat mich angerufen und gesagt, dass du nie dort angekommen bist! Wo warst du?! Was ist bloß in dich gefahren? Ich war krank vor Sorge!" rief ihre Mutter sofort, kaum dass sie durch die Tür war, packte Drisana und zog sie zu sich.
Diese riss sich sofort wieder von ihr los.
"Wenn du glaubst, ich betrete diese Schule nochmal, hast du dich geschnitten! Hast du vergessen, was sie getan haben? Was passiert ist?" fauchte Drisana zurück. Nur einmal wünschte sie sich eine Mutter, die sich wirklich tröstend und besorgt zu ihr gesellte. Die erkannte, dass ihre nicht trinkende Tochter scheinbar zu einem Opfer geworden war. Aber das wurde so eben zerschlagen.
"Ich bitte dich Olive, jeder wird mal versetzt! Was machst du bloß, wenn es mal schlimmer kommt, dich umbringen? Und die Schule kann auch nichts dafür, wenn du dich besäufst!" sagte ihre Mutter hart.
Drisana stieß zischend die Luft aus. Das dachte ihre Mutter also von ihr. Aber was wunderte sie auch das Verhalten von jemandem, der immer nur für sie da war, wenn sie etwas negatives tat oder sagte und den Rest dem Kindermädchen überließ.
Es war ein Wunder, dass sie sie selbst bekommen und niemanden dafür bezahlt hatte, dachte Drisana. Umtauschrecht war dann wohl abgelaufen.
"Du kannst mich mal!" schrie sie ihre Mutter enttäuscht an und rannte zurück auf ihr Zimmer.
Auch wenn nicht ausgeschlossen war, dass sie zur Schule ging. Sie musste ja.

Am nächsten Morgen wurde der Versuch von Drisana, um die Versetzung auf eine andere Schule zu bitten, zerschlagen. Ihre Mutter wies sie ab, dass sie für die letzten zwei Jahre nicht mehr so einen Aufwand anfangen würde und ihr der Papierkram zu viel wäre.
Drisana sollte darüber stehen.
Langsam begann sie Hass auf ihre Mutter zu entwickeln. Und mit dem ewig arbeitenden Vater konnte sie sowieso nicht reden. Wenn sie ihn doch einmal zu fassen bekam, waren seine Methoden einfach zu radikal. Selbst für sie.

Langsam und unmotiviert trat sie den Weg zur Schule an. Sie ging, aber unter dem Vorbehalt, dass sie das Schulgelände jederzeit verlassen und schwänzen würde, wenn sie es nicht länger ertrug.
Der Gedanke beruhigte sie ein wenig. Wenigstens war sie selbst für sich da. Wenn es sonst schon keiner war.
Auf dem Schulhof begegnete ihr erst einmal Fynn. Er kam ihr entgegen gelaufen.
"Olive! Wo warst du denn? Hör zu, es tut mir Leid.." begann er, wurde allerdings unterbrochen, als Drisana die Hand hob und zuschlug.
"Es tut dir Leid?! Hör zu, das war die schlimmste Nacht meines Lebens! Du hast mir die schlimmste Nacht meines Lebens beschert", zischte sie ihn an.
"Ich will dich nie wieder sehen. Ich werde dir niemals verzeihen!"
Mit diesen Worten stieß sie ihn zur Seite und ging Richtung Schulgebäude. Die Aufmerksamkeit der anderen Schüler waren ihnen längst sicher und als sie sich in Bewegung setzte, hörte sie einige von ihnen Lachen.
Sie ging stoisch weiter, ohne sich umzusehen. Aber das schallende Gelächter versetzte ihr einen Stich ins Herz.
Es reichte ihr. Sie war noch nie so gedemütigt worden. Und eines stand fest: Sie würde einen Schlussstrich ziehen. Sie hatte wirklich geglaubt, Fynn meine es ernst und nun, nachdem ihr diese Hoffnung genommen wurde, stand sie so alleine da wie noch nie.
Doch die Monate auf dieser Schule, sie würde sie kein weiteres Mal ertragen.
Es musste eine Lösung her. Und gerade sahen all ihre Lösungen erst mal nicht sehr positiv aus, für ihre Zukunft.

Die nächsten Tage konnte man getrost als katastrophalen Lauf der Dinge betrachten. Drisana hatte angefangen darüber nachzudenken, ob es nicht eine gültige Lösung wäre, von zu Hause weg zu laufen.
Aber sie wollte der Sache noch eine Chance geben. Davon abgesehen, dass sie sich über die Zeit endgültig von ihrer Mutter entfernt hatte, lief es schulisch nicht etwa besser. Ihre Noten waren am Tiefpunkt, ihr sozialer Umgang eingeschränkt. Fynn hatte immer wieder versucht, Kontakt aufzunehmen, aber sie hatte es abgelehnt.
Sie schien es sich zunehmend zu verscherzen, aber das war ihr egal. Was wollte dieser Typ, dem sie nicht mal seine Anwesenheit wert war?
Der sie diesem Club geopfert hatte.
Er hatte begonnen dazu überzugehen, ihr zu drohen.
"Dir wird es noch Leid tun, mich zu ignorieren", raunte er ihr im Unterricht immer wieder zu und war dazu übergegangen, seinen verletzten Stolz damit zu kompensieren, dass er sie beleidigte. An was für einen kranken Typen war sie da bloß geraten? Er sollte seinen Liebeskummer alleine austragen.
Zudem sie nicht immer in der Schule war. Oft nur halbe Tage oder gar nicht. Den Rest verbrachte sie in ihrem Paradies am Wald.

Anfang der nächsten Woche allerdings, spürte Drisana die Auswirkungen, die Fynn ihr angedroht hatte. Sie hatte schon ein komisches Gefühl gehabt.
Als sie auf den Schulhof kam, starrten sie alle an. Ohne Ausnahme. Sie hatten ihre Handys in der Hand. Die Reaktionen waren nach einem Moment unterschiedlich. Alle tuschelten, einige lachten oder schüttelten den Kopf. In Unverständnis über das, was sie auf ihren Handys sahen. Aber irgendetwas musste es mit ihr zu tun haben, denn sie bekam mindestens genauso viele dumme Blicke ab.
Drisana ging vor zu einem der Mädchen, die sie an ihrem ersten Schultag angesprochen hatte und riss ihr das Handy aus der Hand. Und da sah sie es.
Es wurden Bilder rumgeschickt, scheinbar wirklich an der kompletten Schule. Sie zeigten Drisana in einem völlig perplexen, vernebelten Zustand, wie sie unter Drogen zu sexuellen Handlungen gezwungen wurde. Ihr wurde schlecht, als sie sich selbst sah. Sie konnte sich daran nicht erinnern, es war ihr aber nicht unbekannt. Eher wie eine in Fetzen gerissene Erinnerungen.
Ihr blieb das Herz fast stehen. Es schien zwar nicht zum Sex selbst gekommen zu sein, aber zur größten Demütigung ihres Lebens.
Und nun wussten es alle. Fynn war es. Ob er ihr die Drogen auch ins Getränk gemischt hatte? Das wusste sie nicht zu sagen. Sie erkannte ihn auf den Fotos jedoch nicht wieder, nur seine kleinen Gangmitglieder.
Ob es ein abgekartetes Spiel war?
Ein Druckmittel, falls sie nicht mehr mitmachte?

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Entgegen ihrer sonstigen Skrupel, ließ sie das Handy eiskalt fallen, wandte sich um und wollte weg von diesem unseeligen Ort.
Doch da hatte sie die Rechnung ohne Gina gemacht. Ihren Freund sah man deutlich auf den Fotos. Das sah sie sicher auch, aber das Drisana offensichtlich unter Drogen gestanden hatte, übersah sie geschickt.
Stattdessen stand sie nun vor ihr.
"Du Schlampe, ich habs immer gewusst!" kreischte sie los und sprang Drisana förmlich ins Gesicht. Sie hatte sich wirklich noch nie mit einem Mädchen geprügelt und war auch gerade nicht in der Stimmung. Vor allem auch nicht in der Übung.
Sie schaffte es, die etwas kleinere Gina bestmöglich auf Abstand zu halten. Doch zweimal traf sie sie wirklich schwer in ihrer Raserei.
Ihre Lippe platzte auf und abgesehen von diversen blauen Flecken durch Tritte und Bisse, traf Gina sie am Auge. Die Haut platzte und helles Blut lief Drisana ins Auge und machte sie halbblind.

In ihr schrie alles nach ihrem Paradies. Sie wollte nur noch dort sein und nie wieder hier. Sie stieß Gina mit aller Kraft, die ihr blieb, von sich und rannte los.
Sie hörte, dass sie verfolgt wurde. Fynn schlossen sich seine Kumpel an. Das versuchte er vergebens abzuwehren. Sie hatten offenbar eine andere Absicht, als er. Für Drisana war das nicht länger von Bedeutung.
Das Laufen fiel ihr schwer, ob ihrer fehlenden Ausdauer, aber sie behielt ihre Tasche wacker auf dem Arm. Sie hatte dort extra etwas für die Tiere der Umgebung reingepackt.
Sie führte aber gerade ihre Feinde in ihr Paradies und wusste sich selbst nicht anders zu helfen. Sie geriet in Panik. Ihre Verfolger meinten es ernst. Und sie hatten schon einmal unredliche Dinge mit ihr getan.
Am Waldrand angekommen brannte ihre Lunge und sie schmeckte einen metallenen Geschmack auf der Zunge. Ihr fiel ein Schild auf.
Jagd- Betreten verboten!
Oh Nein!, schoss es ihr durch den Kopf. Doch ließ sie sich ebenso wenig aufhalten, wie die Jungs hinter ihr. Ihr Paradies war gleich doppelt bedroht. Sie musste etwas tun.
Sie konnte jetzt nicht anhalten. Sie musste weiter bis zu ihrem kleinen Waldstück auf dem Feld. Wo sie immer sicher gewesen war. Bis auf das Gefühl, beobachtet zu werden. Aber das waren vermutlich die Tiere, wer sonst?

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Ihr liefen Tränen über das Gesicht, aber sie nahm sich zusammen. Irgendwie schaffte sie es, nicht zu stolpern, bevor sie in der Nähe des Waldes war. Ihre Verfolger hatten beachtliche Ausdauer. Sportler eben.
Aber sie konnte nicht zum Waldstück. Die Fuchsmutter hatte ihre Jungen. Wer wusste was mit ihnen geschah, wenn so eine Bedrohung Einzug hielt.
Das konnte Drisana ihrem unschuldigen Paradies nicht antun.
Sie warf die Tasche so weit wie möglich von sich und machte eine Bremsung, um sich ruckartig umzuwenden.
Das hatten die jungen Männer nicht erwartet und hielten ebenfalls.
"Verschwindet!" meinte Fynn halbherzig und wandte sich Drisana zu.
"Bitte Olive, ich wollte das nicht, ich..", begann er. So viel Verachtung wie in diesem Moment hatte sie noch nie für diesen Menschen empfunden. Aber noch mehr für die Täter, die ihn unterbrachen.
"Ach fick dich, Fynn. Du willst die doch nicht wirklich. Die bekommt jetzt, was sie verdient!" erwiderte der Kopf der Bande- Rob.
Drisana hatte Angst und Schmerzen, wich aber nicht zur Seite.
Nein, für diesen Menschen da empfand sie puren Hass. Und vielleicht war es dieser Hass, der etwas in ihr hervorrief, dass sie nicht kannte.

Kaum packte Rob sie am Arm, schlug sie ihm so unerwartet hart ins Gesicht, dass er ins taumeln geriet, während Drisana zu rotem Rauch zerfiel wo sie stand.
Und aus diesem flammend roten, dichtem Rauch landete ein rötlicher Wolf auf den Pfoten und sprang ihren Peiniger an.
Sie hatte die Verletzungen noch. Das nachsickernde Blut war silbrig und so dickflüssig, dass kein weiteres nachfloss.
Die anderen Jungs schrien vor Schreck auf und zwei ergriffen die Flucht. Fynn und ein weiterer standen noch da und durften zu sehen, wie Drisana sich in der Schulter ihres Chefs verbiss und ihn mit einem Schlag ihres Kopfes bewusstlos schlug.
Andere wären vielleicht überrascht oder geschockt über diese Verwandlung. Und auch Drisana überrumpelte das. Aber sie fühlte keinen Schrecken. Sie fühlte Macht und Stärke. Und die Gewissheit, dass sie so eben das Blatt gewendet hatte. Gerade noch war sie die Gejagte gewesen, jetzt war sie der Jäger.
Sie ließ von Rob ab, zog die Lefzen hoch und knurrte aus tiefster Brust die Verbliebenen an.
Ihr Fell sträubte sich mit dem Klang von hundert gezogenen Schwertern.

"Olive... bitte", flüsterte Fynn und wich nur zögerlich zurück. Was glaubte dieser Bastard, was er jetzt noch für sie war? Drisana ließ dieser Gedanke rasen. Er dachte, er hätte es verdient, von ihr verschont zu werden. Als hätte er eine Chance verdient.
Sie ging ohne Zögern vor und schlug alleine mit ihrer Präsenz den Letzten in die Flucht.
Die Wut darüber, dass Fynn glaubte, eine Sonderbehandlung von ihr zu verdienen, ließ sie ihn schließlich ebenfalls attackieren.
Sie sprang ihn an und riss ihn zu Boden. Seinen schnellen Reflexen hatte er zu verdanken, das Drisana ein großes Stück Wiese aus der Erde riss, wo eben noch sein Gesicht vor ihr gewesen war. Das schien Fynn den Rest zu geben.
Er drehte sich auf den Bauch, um ebenfalls zu flüchten, nur machte es Drisana ihm nicht so einfach. Sie unterbrach ihn immer wieder dominierend, in dem sie ihn mit den Pfoten zurück auf den Boden drückte oder ihn in Beine und Hüfte biss, bis es blutete.
Aber sie war nicht in der Lage, ihn zu töten, deshalb gewährte sie ihm irgendwann schwerverletzt die Flucht.
Rob war wieder zu Bewusstsein gekommen. Seine Reflexe jedoch waren geschwächt.
Sie sah ihre schwache Beute und zerriss ihn.



Adrenalin hatte sie ergriffen. Sie hatte immer die Meinung vertreten, dass solche Menschen wie Rob entschärft gehörten. Es war ein seltsames Gefühl.
Ihn Leben zu lassen, fühlte sich falsch an und sein Tod ließ sie nichts fühlen. Sie hatte einfach dem Tier in ihr den Vortritt gelassen und das spürte Genugtuung.
Sie schnappte nach ihrer Tasche und trug sie im Maul zu ihrem Waldstück. Aufeinmal hörte sie wildes Gekläff und hob den Kopf, spitzte die Ohren.
Hunde?
Rufe. Schüsse.
Jäger!
Die hatte sie fast vergessen und sie nahmen Kurs auf dieses Feld. Auf dieses Waldstück. Und die Hunde würden versuchen, den Fuchsbau auszugraben.
Das durfte sie nicht zulassen. Sie war geschwächt, aber das Adrenalin schoss in ihre Adern. Diese Gefahr musste sie unbedingt noch abwenden.
Sie stellte sich schützend vor den Wald und beobachtete das Kommen der Jäger. Ihre Hunde liefen kläffend voraus und Drisana hörte wie um sie herum das Wild in den Wald hinter ihr getrieben wurde.
Sie entschied, sich platt auf den Boden zu legen und legte ihr Fell dicht an, dass sich wie ein Panzer auf ihre Haut legte.
Sie durfte nicht von dem Wild gesehen werden. Sie würde es ihnen nur vor die Flinte treiben.
Also kroch sie vor und als der erste Jagdhund in ihre Nähe kam, sprang sie auf und wurde zur neuen Beute.
Erst einmal sorgte sie aber für Schrecken unter den viel kleineren Hunden. Erst dadurch, dass sie sich bedroht fühlten, begannen sie wieder an Aggressivität zu gewinnen.
Genau Drisanas Ziel. Sie wollte die Aufmerksamkeit haben. Sie schnappte nach den Hunden und rannte einen, der an ihr vorbei der Fuchsfährte folgte, über den Haufen. Ein paar Mal lief sie im Kreis und als sie sicher war, dass sie die Meute hinter sich wusste, rannte sie in eine andere Richtung. Weg von Wald, Wild und Fuchs.
Ihr war egal, was für einen Sinn die Menschen in der Jagd hatten. Sie verkörperte gerade das, was hier eigentlich jagen sollte. Sie hörte Schreie und Schüsse. Sie begab sich in Lebensgefahr. Drisana hatte keine Ahnung, ob Schüsse sie verletzen konnten.

Sie wetzte stattdessen in halsbrecherischem Tempo los und hörte Klicken und Schüsse, die auf sie gerichtet waren.
Ein Schuss traf ihr Hinterbein und sie jaulte auf, strauchelte und gab einem der führenden Hunde die Gelegenheit, zuzubeißen.
Der Schuss verletzte sie nicht schwer. Es war, als wäre man mit einem runden Geschoss getroffen worden. Es schmerzte jedoch und sie sollte auf jedenfall versuchen, nicht getroffen zu werden. Den Hund dagegen schleifte sie kurz mit, ehe er wieder losließ. Er kam mit seinen kleinen Zähnen nicht bis zu ihrer Haut durch.

Drisana wusste nicht wie lange sie gelaufen war, aber die Jäger waren ab vom Kurs. Ihre einzige Chance, die Hunde loszuwerden war, sich zurück zu verwandeln.
Sie hatte die Tiere nahe eines Wohngebietes gelockt. Gärten und Hecken waren da und sie sprang einfach mitten in eine nicht allzu dichte Hecke und schloss die Augen.
Sie musste aufwachen. Wieder sie selbst werden, unbedingt. Es würde ihr das Leben retten.
Vielleicht hätte sie diesen Gedanken nach der Landung haben sollen. Sie kam schmerzhaft als Mensch auf der feuchten Wiese auf und rollte eine Weile, bis sie auf dem Rücken lag und auf einen roten Sonnenschirm schaute, der über ihr  aufgespannt stand.
Die Hunde drehten durch vor der Hecke und versuchten ebenfalls durchzubrechen.
Drisana war verschmutzt, blutverschmiert und sah so zerfetzt und verfilzt aus, wie sie es nicht mal als kleines Kind geschafft hatte. Eigentlich konnte sie ein Bad vertragen, aber sie fühlte, dass sie nicht mehr zurück konnte. Sie hatte gerade ihre größte Demütigung hinter sich, eine Prügelei mit einem Mädchen und hatte einen Menschen getötet. Zum Glück war die Familie, die diesen Garten besaß, nicht daheim. Sie rührte sich nicht und nach gefühlten Stunden holten die Jäger ihre Hunde ab und mussten sich vor aufgebrachten Bewohnern verantworten, dass sie ihnen das Wild bis in die Gärten trieb. Sie waren der festen Überzeugung durch eine der Hecken sei ein Reh gesprungen. Der Garten in dem sie lag, gehörte einer Familie mit kleinen Kindern.
Unverantwortlich.

Drisana tat es Leid, denn sie hätte eben diese Kinder ja selbst fast gefährdet. Als die Geräusche der Redenden sich entfernten und Polizei laut wurde, richtete sie sich auf und versuchte ihre struppigen Haare glatt zu streichen. Dann schwang sie sich aus dem Garten raus.
Sie war gerade noch überrascht über diese Leichtigkeit, mit der sie aus dem Garten kam, aber als sie auf den Beinen aufkam, knickten diese ein. Sie schaute auf die schmerzende Stelle und entdeckte einen dunkelgrauen "blauen" Fleck, wo der Schuss sie getroffen hatte.
Aber sie konnte sich nicht kümmern. Stattdessen schloss sie die Augen, ließ die menschliche Gestalt mit einer Erleichterung der Befreiung von sich abfallen und machte sich auf den Weg zu ihrem Waldstück.
Gerettet.. gerettet... Wald.. Wild..... sich.
Sie taumelte die letzten Meter. Vor ihren Augen verschwamm alles. In ihrem Kopf dröhnte es und sie begann silbern aus der Nase zu bluten.
Dort, wo sie das erste Mal als Mensch gelegen hatte, brach sie schließlich schwer atmend zusammen und schloss die Augen.
Dann verlor sie das Bewusstsein.




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How life goes Empty
BeitragThema: Re: How life goes   How life goes EmptyDo Jun 22, 2017 6:44 pm




Neue Freunde




How life goes Tenor

Es fühlte sich wie eine halbe Ewigkeit an, als sie helles Licht weckte. Drisana öffnete schwerfällig die Augen und stöhnte, als sie sich langsam versuchte, auf den Rücken zu drehen. Es tat ihr wirklich alles weh. Aber dieses mal hatte sie keinen Filmriss. Es dauerte allerdings einen Moment, als die ganzen Erfahrungen und Eindrücke wieder auf sie einströmten.
Langsam richtete sie sich auf und stützte sich mit den Händen im vertrauten Gras ab. Teilweise hatte es sich rot und silber gefärbt. Sie schaute an sich herunter. Sie konnte sich an eine Rückverwandlung nicht erinnern, aber vermutlich war die Wolfgestalt während der Bewusstlosigkeit fortgeweht.
Sie bemerkte auch, dass sie nicht vom Licht der Sonne geweckt worden war, sondern von der des Vollmondes, der über ihr am Himmel stand und genau auf sie herab schien.
Es gab für sie so viel zu bedenken, dass sie nicht wusste, wo sie anfangen sollte.
Vielleicht erst einmal bei dem exotischen Geruch. Um sie herum lagen Kräuter, ebenso auf ihren Schürfwunden und sie fühlte sich nicht mehr so furchtbar, wie kurz vor ihrem Zusammenbruch. Auch hatte sie einen Bärenhunger und fand etwas zu Essen vor, dass sie dort definitiv nicht mitgebracht hatte.
Im Gegenteil, die den Wildtieren wohlbekannte Futtertasche von ihr, lag an einem ganz anderen Ort und war geplündert. Definitiv aber von normalen Tieren, das beruhigte sie etwas.

Sie war nicht traurig über den Fetzen, der da zurückgeblieben war. Es waren Tiere. So wie sie, wenn sie an gestern zurückdachte.
Und genau so hatte sie auch gehandelt.
Sie nahm sich das Essen, ohne darüber nachzudenken. Wer ihr Schaden wollte, hätte das einfacher haben können.
Dabei spähte sie in die gut beleuchtete Nacht. Es war weiter weg gewesen vom Waldstück, als sie gedacht hatte. Sie hatte es nur in Klein gesehen und sofort gebremst. Das war jetzt gut, denn dort schien der Bereich abgesperrt zu sein. Sie hatten Rob also gefunden. Und bei einer zu groß angelegten Suche hätten sie auch definitiv Drisana gefunden. Wenn sie auch eher wie ein Opfer gewirkt haben musste. Wahrscheinlich tobte ihre Mutter wieder, aber eine seltsame, traurige Erkenntnis hatte Drisana schon vorher eingeholt. So wie jetzt auch. Alle Zeichen standen auf Abschied. Und das tat ihr nur so halb um ihre Familie leid. Vielleicht um ihren Vater- ja. Sie war sein größter Schatz, für den er zwar nicht viel Zeit hatte, der er aber stets alles ermöglicht hatte. Und hätte.
Aber nun war es zu spät. Es war nicht wegzudenken, dass Drisana eine Lösung ihrer Probleme mit gewissen Menschen gefunden hatte. Sie hatte 'Blut geleckt'.
Viele Menschen erkannten wohl irgendwann einmal die Möglichkeit, wie leicht sich stressige Feinde aus der Welt schaffen ließen.

Es schmerzte ihr aber vor allem, ihr kleines Paradies verlassen zu müssen. Nur für heute war es gerettet. Aber man würde bald nach ihr suchen und da wurde es selbst als Wolf schwer, sich zu verstecken.
Außerdem würde man sie jagen, weil ihre Wolfgestalt sie angeblich auch auf dem Gewissen hätte. Sie lächelte über diese makabere Ironie.
Jetzt wurde ihr klar, wie oft Seelen durch die grausame psychische Gewalt der Gesellschaft starben und in ausdruckslosen Hüllen weiterlebten. Wenn sie nicht den Ausweg wählten.
Das war ihr nie aufgefallen, in all den Jahren, da sie nicht in der Schusslinie gewesen war. Und jetzt, wo sie es war, hatte man ihr einen einmaligen Ausweg geboten.
Drisana entschied sich, einen Abschiedsbrief zu verfassen. Sie wusste nicht, wohin sie danach gehen sollte, aber der Wald war einer der Größten, den sie je gesehen hatte. Sie würde einfach drauf los gehen.
Sie stand auf und streckte sich einmal schwerfällig. Dann ging sie vorsichtig und etwas hinkend zu ihrer Tasche. Der Schuss des Jägers hatte gesessen. Konnte sie nicht auch so immun sein gegen alles, wie die Monster aus Horrorfilmen? Ob die auch Schmerz verspürten?
Jedenfalls schrien sie auch immer, wenn die Protagonisten sie verletzten, aber es war das erste Mal, dass Drisana sich Gedanken darüber machte.
Nun, jetzt, wo sie dazu gehörte, dachte sie. Da könnte man sich ja durchaus mal damit befassen.

Sie hockte sich neben der Tasche und fand ihren zerrissenen Collegeblock. Die Fetzen waren ganz verteilt. Na, das war der Spurensuche entgangen, aber sicher nicht mehr lange.
Sie nahm einen Stift aus ihrer Hosentasche und begann zu schreiben.


Liebe Mum, Lieber Dad,


begann sie zu schreiben. Sie nahm ihre Mum mit rein. Sie würden nie die Gelegenheit haben, sich auszusprechen. Ob das von Erfolg gekrönt wäre oder nicht. Sie sah ihre einzige Tochter nie wieder. Da war es nur fair sie anzusprechen.


Macht euch um mich keine Sorgen. Ich bin wohlauf. Aber ich habe etwas bei mir entdeckt, dass mir zeigt, dass eure Welt und euer Leben nichts für mich ist. Ich werde mein eigenes Leben woanders aufbauen.
Spart euch den Stress und sucht nicht nach mir. Ihr werdet mich nicht finden.
Vielleicht führen unsere Wege noch einmal zusammen und ihr werdet es erfahren.

Ich wünsche euch ein schönes, friedliches Leben. Und ich hoffe, ihr wünscht es mir auch.

In Liebe

Olive


Sie schaute den Brief an und es ergriff sie gar keine Trauer. Sie war zufrieden. Tief zufrieden und befreit. Erstmals fiel aller Druck von ihr ab. Das musste nicht bedeuten, dass sie es sich nie wieder herwünschte. Im Gegenteil.
Aber sie fühlte, dass dieser Schritt richtig und wichtig war. Nur wo ihr Dasein stattfinden würde, das wusste sie noch nicht.

Sie faltete den Brieffetzen und stand auf.
"Du willst den hoffentlich nicht persönlich abgeben", erklang eine Stimme hinter ihr. Drisana schrak furchtbar zusammen und machte einen Satz zur Seite. Ein Mann, mitte 30 vielleicht, hatte verschmitzt lächelnd hinter ihr gestanden und ihr über die Schulter geschaut. Sie hatte ihn nicht bemerkt. Und sein Gesicht kam ihr in keinsterweise bekannt vor.
"Wer bist du?!" fragte Drisana aufgebracht und funkelte den Mann misstrauisch an. Was kam jetzt denn noch? Hatte sie nicht schon genug durchgemacht?
Der Mann neigte den Kopf, das Lächeln immer noch auf den Lippen.
"Tut mir Leid, wo bleiben meine Manieren? Ich bin Vito", offenbarte er ihr schließlich und hielt ihr nach kurzem Zögern die Hand hin.
"So macht man das doch, oder?" fragte er grinsend, obwohl er die menschlichen Gepflogenheiten nicht verlernt haben konnte. Dafür war er einfach schon raus aus dem Alter.
Ob es Menschen gab, die von diesen Wölfen großgezogen wurden?, fragte Drisana sich. Das könnte die Legende um Romulus und Remus erklären.
Zwar hatte Drisana sich damit nie richtig beschäftigt, aber gelernt war gelernt. Wenn es auch nur für die Schule war.
"Vito? Das ist aber ein komischer Name. Ich bin Olive.. Olive Baker", stellte sie sich nach kurzem Zögern ganz vor und schüttelte der Höflichkeithalber seine raue Hand.

Vito lachte.
"Da wo ich herkomme, ist dein Name komisch. Pass gut, wenn du den abgibst", er deutete auf den Brief.
"Es sollte dich dann keiner sehen. Du verabschiedest dich aus freien Stücken? Wie kommt es dazu?" fragte er neugierig. Sie wusste nicht, warum, aber sie wollte es ihm sagen. Obwohl er nicht der Erste möchtegern Nette war.
"Nun ja. Ich dachte, ich hätte immer das perfekte Leben. Bis ich hierhin kam und gesehen hab, wozu Menschen fähig sind und das mir meine Eltern nie eine Hilfe sein würden. Auf einmal war ich in ernsthafter Gefahr. Aus so einer Demütigung entsteht bei anderen Selbstmord. Meiner Mutter ging es nur noch um meine Zukunft um jeden Preis. Ich habe mich auf einmal wie einer Zelle gefühlt, als mir auf einmal die Tür geöffnet wurde. Ich hatte immer vor Psychologie zu studieren. Ich weiß, was das hier mit einem machen kann.. ich war aber nicht darauf vorbereitet. Ich war immer beliebt oder zumindest nicht gemobbt und bin behütet aufgewachsen. Die Ignoranz der Leute und der Schüler.. diese Selbstsucht. Nachdem ich mich... nach..", sie brach ab und schaute zum Tatort. Ihrer Tat.
"Ich kann nicht mehr zurück. Das war mir schon nach meiner Verwandlung klar. Alles war so rational. So etwas wie ich.. das gehört da nicht hin. Denke ich. So wie du", meinte Drisana Gedanken verloren.
Vito musterte sie nachdenklich.
"Kluges Mädchen. Das heißt, du hattest keine Visionen? Träume in die Richtung?"
Er hob eine Augenbraue. Das schien ihm seltsam, wo die meisten ihre Verwandlung und ihr neues zu Hause durch Fenrir erträumten. Aber seinen Beobachtungen nach hatte das Mädchen Wild geschützt und Mensch getötet. Er war zwar kein Druide, aber das bedeutete ein Punkt für Fenrir und gegen Tapio.

"Nun, ich will dich nicht aufhalten. Aber ich kann dich in ein neues zu Hause führen. Wenn du willst. Viele neue Wölfe stehen ganz alleine da. Wenn du weg willst, wäre das ein Anfang. Gebunden bist du nicht an uns", erklärte Vito schließlich und trat etwas näher. Nur so viel, dass die Rothaarige nicht zurückwich.
"Ähm.. zu noch mehr von euch?" fragte Drisana fast etwas unsicher. Sie wusste nicht, was sie erwartete. Bei einem Werwolf-Rudel das in den Wäldern lebte. Waren sie wild und unmenschlich? Aggressiv? Was sie aus Filmen und Büchern so mitbekommen hatte, waren sie zu anderen und untereinander nicht sehr angenehm.
"Mach dir keine Sorgen. Sie sind chaotisch, aber lieb. Alle haben mal als Mensch angefangen und mehr oder weniger lange ihr Leben in der Zivilisation gelebt. Und alle haben wie du den Drang gehabt, irgendwann diese Zivilisation zu verlassen. Als ob es sie woanders hinzieht. Ist wohl extra so gemacht... oder so. Aber das können dir unsere Druiden besser erklären", meinte Vito und zuckte die Schultern. Jemanden in diese Welt ein zu führen gehörte nicht unbedingt zu seinen Stärken.

"Hm, na schön. Klingt ja nicht verkehrt", sagte Drisana dankbar lächelnd. Es war immerhin ein Anhaltspunkt und sie war dort scheinbar sicher. Sie hätte auch nicht gewusst, wo sie sonst hin sollte.
Und war es nicht das, was sie dieses Jahr wieder so gern erreichen wollte? Sich dazugehörig fühlen? Einer Gemeinschaft angehören?
Vielleicht nicht gerade einem Rudel, aber das hatte ja keiner kommen sehen.
"Wartest du hier, oder...", Drisana schaute den Mann fragend an, der sie nur schief anlächelte.
"Ich finde dich schon. Nun geh", forderte er sie auf und machte es ihr einfacher, in dem er sich selbst ebenfalls zurück zog.

Drisanas erstes Ziel war also ihr Haus. Sie ging mit bedacht, auch wenn es nachts war. Tagsüber würden die Polizisten kommen.
Selbst jetzt brannte Licht in ihrem Haus. Man konnte sich hier einfach nie sicher sein, unbeobachtet zu sein.
Sie schaute auf den Zettel in ihrer Hand und seufzte. Dann steckte sie ihn ein und verwandelte sich, um sich dem Haus besser zu nähern. Nun war sie leiser und ihre Sinne waren geschärfter.
Nahe am Haus, unter dem Zimmer in dem Licht brannte, blieb sie schließlich stehen und reckte etwas den Kopf. Worüber ihre Eltern wohl diskutierten? Ganz offensichtlich sie.
Sie hörte gut, wie ihre Mutter einen Misch aus aufgebracht und weinerlich war. Drisana fiel dieser Teil des Abschieds definitiv leichter. Ihre Mutter war gerade in der Wutphase und gab ihr die Schuld daran, dass sie weg war. Sie war sauer, war Drisana doch so seltsam und schlecht geworden und hatte wahrscheinlich Kontakt zu den falschen Leuten.
Traurig. Nie hatte sie Drisana zugehört, dachte diese. Und nun dachte sie mit dem offensichtlich schlechten Umgang sei Jene auch noch befreundet.
Ihr Vater versuchte auf sie einzureden und innerlich lächelte sie bedrückt. Er nahm sie in Schutz. Er sprach für sie. Wie jedes mal.

Langsam pirschte sie weiter und verwandelte sich kurz vor der Ecke zurück. Jetzt musste es schnell gehen. Keine Zeit für Sentimentalität.
Sie nahm den Brieffetzen und lief zu dem Briefschlitz, schob ihn hindurch und huschte schnell hinter ein Gebüsch. Dort verwandelte sie sich wieder und warf einen letzten Blick auf ihr altes Zuhause.
Das war also der Abschied...
"Hey, hübsche rote Wölfin", erklang eine schelmische Stimme in ihrem Kopf und riss sie aus den Gedanken.
Sie sah sich suchend um und sah am Baumrand hinter ihrem Garten einen bunten Wolf. Der Stimme nach zu urteilen war es Vito. Wie angenehm, dass sie scheinbar keine neue Sprache lernen musste, um mit ihnen zu kommunizieren.
Drisana trabte zu ihm und stieß ihn an, ehe sie ihm folgte. Und der Weg war beachtlich lang.
Ihr ging fast die Puste aus, trotz des entspannten Tempos. Vito schien Ausdauersport gewohnt, jedenfalls legte er diese Strecke locker zurück.
Sie mussten im Herzen des riesigen Waldes sein. Er wirkte gar magisch, mit der Morgensonne die bald durch die Laubbäume brach.

Wahrscheinlich brauchten sie nur wegen ihr so lange, aber sie konnte nichts dafür. Sport war nicht unbedingt ihre Stärke.
Als Vito anhielt, schaute sich die rote Wölfin aufmerksam und aufgeregt um. Tatsächlich sah sie erst einmal nichts. Ob sie nur eine Pause machten?
Doch nach wenigen Minuten schob sich eine hübsche große, braungraue Wölfin durch das Unterholz und trat auf sie zu. Aus anderen Ecken kamen noch zwei andere Wölfinnen. Ziemlich Frauenbelastet offenbar.
Die Linke war ganz grau, die Rechte war weiß und hatte etwas schwarzes Fell auf dem Nasenrücken und längeres Fell. Als würde sie aus einem winterlichen Gebiet stammen.
Drisana spürte die Anwesenheit von noch mehr Wölfen, aber sie zeigten sich nicht. Beobachteten sie vermutlich nur.
"Willkommen junge Wölfin. Mein Name ist Sura. Ich bin der Kopf unseres Druidenkreises im Rudel. Das ist Ahalya", Sura wandte ihren Kopf zu der grauen Wölfin. Dann zu der Weißen.
"Und das ist Sila. Du musst Wissen, dass es eine wölfische Tradition ist, sich kurze und oft bedeutungsvolle Namen zu geben und den menschlichen Namen abzulegen. Einerseits ist es der praktische Grund, weil man so oft die Herkunft und Merkmale der Wölfe unterscheiden kann. Andererseits fällt es uns so leichter, das Menschliche, das wir so lange mit uns genommen haben, abzulegen und offen für das Neue zu sein. In einem Wolfsrudel hat menschliches Denken keinen Platz. Auch der menschliche Glaube nicht. Das hier ist ein neuer Lebensabschnitt. Bist du damit einverstanden, wenn du dich dem Rudel anschließt?" fragte Sura. Die rote Wölfin lauschte ihr Aufmerksam. Was für Bedeutungen die Namen der Wölfe wohl hatten?
Sie fand das Ganze interessant, aber auch bedenklich. Alles Menschliche abzulegen war eine schwierige Angelegenheit. Es war das, was den Menschen ausmachte. Natürlich. Und es war so stark geprägt, dass es schwierig sein würde, das abzulegen.

Aber war es nicht genau das, was Drisana gewollt hatte? Ein neues Leben? Und wenn das nicht neu war... Ohnehin hatte sie bereits unmoralisch gehandelt und der Rache den Vorzug gegeben.
Sie konzentrierte sich. Einen inneren Monolog zu führen und dabei mit anderen zu teilen, das war neu. Damit waren die Gedanken wohl nicht mehr ganz so frei.
"Ja, ich denke schon. Es ist das, was ich wollte. Und wie schwer es auch sein mag, ich will mich bemühen. Ich bin Olive.. noch. Wie funktioniert das mit den Namen?" fragte sie und musterte die Wölfe. Vito hatte sich mit viel respektvollem Abstand hinter sie gesetzt und lauschte schweigend. Sie war dankbar, dass er blieb. Auch wenn sie nicht wusste, dass es nur gestattet war, weil er sie hergebracht hatte und eigentlich untersagt war.
Dieses mal meldete sich Ahalya zu Wort.
"Sura wird dir einen neuen Namen geben. Dein alter Name, sowie deine alte Identität, werden in Vergessenheit geraten. Wer immer dich danach fragt, so ist es nicht mehr. Du wirst ihn nicht nennen. Es auszusprechen lässt es nur wieder Gegenwart werden. Du musst mit deiner Vergangenheit abschließen und dich dem zuwenden, was da kommt. In einem Rudel gibt es eine Rangordnung. Jeder hat seine Aufgabe im Rudel. Je wichtiger, desto höher ist dein Rang. Danach zählt Dienstalter. Neben den Druiden und der Rudelführerin, gibt es die Jäger in diesem Rudel. Je nachdem wie stark deine Verbindung zu den Göttern ist, kannst du dich einem von den beiden Gruppen anschließen", sagte Ahalya und hob den Kopf. Sie klang ziemlich geradlinig, fast streng, aber achtete mit einem Seitenblick auf Sura, auf ihre Wortwahl.

"Ich möchte mich nicht einmischen. Bei allem Respekt, Sura. Olive hatte noch keine Vision. Dennoch hat sie sich verwandelt, getötet, agiert und hatte einen Drang, die menschliche Welt zu verlassen. Aus eigenem Antrieb"[/i], meldete sich Vito zu Wort. Die rote Wölfin war überrascht, dass das wichtig war. Was war denn bloß mit diesen Visionen?
"Das ist unmöglich. Jeder von uns hatte sie", erwiderte Ahalya und zog dabei leicht die Lefzen hoch.
Sie neigte erst schweigend den Kopf, als Sura ihren Kopf in ihre Richtung warf.
"Das ist in der Tat ungewöhnlich. Diese Träume sind keine, die man träumt und beim aufwachen vergisst. Und doch sitzt offenbar eine Wandlerin vor uns, das ist nicht zu leugnen. Es ist eine Fügung, die wir so noch nicht hatten. Vielleicht sind die Götter unschlüssig. Das werden wir ergründen. Komm, Olive. Lass uns dich in unsere Mitte aufnehmen und dir einen eigenen Namen geben. Einem, der besser zu dir passt", sagte Sura schließlich und stand auf. Die rote Wölfin ging etwas unsicher mit der Älteren mit, während die anderen beiden Druidinnen sie flankierten.

"Drisana. Dieser Name, soll deine neue Identität sein und dich auf deinem Weg begleiten. Er bedeutet Tochter der Sonne und so unschlüssig wie die Götter mit dir sind, wird er wohl gut passen. Bist du einverstanden?" fragte Sura.
Drisana lächelte innerlich. Sie war so aufgeregt gewesen und hatte Angst davor gehabt. Doch diese Sorgen fielen jetzt von ihr ab.
"Ja, das bin ich".



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BeitragThema: Re: How life goes   How life goes EmptyDo Jun 22, 2017 6:53 pm



Epilog


How life goes Herbst-77430


Der alte Mann ging langsam den Waldweg entlang. Er wusste, dass seine Zeit bald gekommen war. Es war nur noch ein Wunsch, der in seinem Herzen brannte, ehe er ging. Nachdem er seine Frau und seine Tochter überlebt hatte, wusste er nicht mehr, wie er diesen Wunsch befriedigen sollte.
Dann hatte er eine überraschende Nachricht erhalten. Sie hatte die letzten Geister in ihm geweckt, kurz bevor er diese Welt loslassen konnte.
Nun stand er da, im weiten Nichts. Es war ein kühler Herbsttag und goldene Blätter wehten über seinen Weg.
Er war dieser mysteriösen Nachricht blind gefolgt. Kurz bevor er am Treffpunkt war, hielt er sich für dumm und senil das getan zu haben. Er fühlte sich in einer Rolle, in der bald Menschen kamen, die klarer bei Verstand waren und ihn abholen kamen, um ihn in irgendeine Anstalt zu bringen.
Dabei war er nicht so gebrechlich. Einfach nur fertig mit dem Leben, das er gelebt hatte.

Er nahm die Nachricht aus der Tasche und las sie wieder. Es stand nicht viel darin. Er sollte diesen Punkt aufsuchen, ein Übergang zwischen Feld und Wald und da war er nun.
Als er ein Rascheln hörte, hob er den Kopf und was er sah, verschlug ihm die Sprache. Es kam jemand auf ihn zu, lange, wellige rote Haare. Und eine weiße, makellose Haut. Jung war sie.
Tränen traten in seine Augen. Olive... seine verloren geglaubte Tochter. Das Mädchen, dass er trotz ihrer Nachricht totgeglaubt hatte. Die sie vor vielen Jahrzehnten verlassen hatte. Er hatte vermutet, sie wäre entführt worden oder hätte den falschen Weg eingeschlagen. Und man hätte sie dazu gebracht oder jemand hätte sie gezwungen, ihren Brief zu schreiben. Er hatte ihn bis heute aufbewahrt. Jetzt konnte er seinen Augen nicht trauen.
Sie war noch so jung wie damals. Wie eine Geisterscheinung. Aber sie war so real.
Wenn das hier ein Traum war...
"Hallo Vater", sagte sie und lächelte schüchtern. So schön wie damals.
"Olive... ich.. wie.." fragte er und wischte sich über die Augen, als sein trüber Blick weiter verschwamm. Er wollte sich diesen Anblick jetzt nicht nehmen lassen.
"Nicht mehr Olive", sagte sie leise und legte sanft ihre Arme um ihn. Sie roch nicht mehr nach Parfum, aber frisch und nach Wald.

Ihre Worte verwirrten ihn, aber sie klang so Erwachsen, als hätte sie schon ein Leben gelebt.
Er erwiderte ihre Umarmung und drückte sie so fest an sich, wie es ihm noch möglich war.
"Du warst immer gut zu mir. Du hast es nicht verdient, unwissend zu gehen", flüsterte Drisana leise.
"Mir hat sich damals ein neues Leben offenbart. Sei nicht traurig. Mir ging es nie besser. Es tut mir Leid, dass ich nicht das Leben gelebt habe, dass ihr für mich vorgesehen habt. Aber ich war so unglücklich...", wisperte sie und sah ihren alten Vater an, der so gütig und weise wirkte und ihr stiegen Tränen in die Augen.
"Schh.. Ol.. was immer dein Name jetzt ist", unterbrach er sie sanft.
"Es muss dir nicht Leid tun. Wenn du jemals unglücklich warst, dann war es nie mein Anliegen. Du hast dich von deinen Ketten befreit und bist jetzt glücklich. Das ist alles, was ich mir gewünscht habe zu hören, all die Jahre. Ich habe nicht mehr lange. Aber ich habe mein Leben gelebt. Dank dir, kann ich jetzt in Frieden gehen. Das es dir irgendwann genauso geht, ist alles, was zählt", sagte er leise und strich über ihre Wange.

Drisana lächelte traurig. In der Gewissheit, dass sie niemals gehen konnte.
"Aber wenn ich mir ansehe, wie du dir deine Jugend bewahrt hast..", er lachte leise.
"Ach Vater. Ich weiß nicht, ob du mir glaubst. Nachher bist du geschockt und.." begann sie, aber er winkte ihre Sorgen ab.
"Schatz, ich bin ein alter Mann, der seine verloren geglaubte Tochter gefunden hat. Und zwar genauso, wie er sie das letzte Mal gesehen hat. Und sie war ohne jeden Wissens immer ganz in der Nähe. Und meine Zeit wird bald kommen. Sollte ich jetzt noch an etwas zweifeln? Jetzt ist kein Platz mehr für Realismis", meinte er sanft und es erleichterte Drisana sehr.
"Ich altere nicht. Ich könnte, bis zu einem Punkt, an dem es nicht mehr weitergeht, aber ich werde nie sterben. Ich bin nicht mehr nur ein Mensch, aber ich bin nicht gefährlich. Ich bin unter meinesgleichen. Und sie bestehen aus unglaublich tollen Menschen. Niemand wird mir jemals schaden. Ich muss dich jetzt gehen lassen. Ich habe eine Sondererlaubnis. Aber mir hat dieses Treffen alles bedeutet", schloss Drisana. Zufriedenheit breitete sich in ihr aus, jetzt, wo sie diesen Schritt gehen konnte. Und wo sie ihm offenbaren konnte was sie war. Er nahm sie so ernst. Er hatte allen Glauben in sie. Diese Gewissheit war es, die ihr all die Jahre gefehlt hatte.

Die junge Druidin wandte sich um und zerfiel zu Rauch. Als Wolf, drehte sie sich ein letztes Mal um und der Mann erkannte in den Wolfsaugen den Blick seiner Tochter.

Und er glaubte und verwahrte das Geheimnis, bis er diese Welt verließ.




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